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Lernen durch Begeisterung

Reportage: Schreibwerkstatt für Kinder

Andrea Liebers versteht es mit ihrem Projekt einer Schreibwerkstatt  für Kinder, Lust am kreativen Schreiben zu wecken. Durch die freie Herangehensweise entdecken die jungen angehenden Autoren ihre Phantasie und lernen selbstbestimmt.

konzentriertDie Füller und Bleistifte auf dem Papier sind das einzige Geräusch, das man hören kann. So leise ist es in dem hellen, freundlichen Raum, der Bibliothek. Hier wird heute nicht gelesen, sondern geschrieben. Zehn Kinderköpfe beugen sich hoch konzentriert über die Hefte. Jetzt  unterbricht Phirun die Stille. Er braucht Ratschläge: Eine Stadt in England, einen Vornamen für ein strebsames Mädchen, ein Straßenname, der gut klingt? Die anderen sammeln Vorschläge, er scheint zufrieden.

Sogleich setzt er wieder den Stift an und versinkt in seiner Geschichte. Sie wird an einer englischen Schule spielen und aus den  verschiedenen Perspektiven zweier Jugendlicher erzählt werden. Er hat  schon mehrmals an der Schreibwerkstatt teilgenommen, die die Autorin  Andrea Liebers in Zusammenarbeit mit dem Theater und Orchester Heidelberg im Rahmen der Heidelberger Literaturtage ausrichtet. Andrea  Liebers schreibt seit 1995 Kinderbücher, seit zehn Jahren leitet sie Schreibwerkstätten für Kinder.

Innerhalb von zwei Tagen werden die Teilnehmer ihre eigene Geschichte schreiben. Was steht am Anfang? Muss man nicht erst einmal verstehen, wie eine Geschichte aufgebaut ist, Stilmittel üben? Doch Andrea Liebers  hält weder etwas von grauer Theorie noch möchte sie den Schreibhunger  der Kinder durch pädagogische Übungen lähmen. Daher geht es auch direkt  los.

Die einzige Vorgabe ist, dass ein geheimes Buch in der Geschichte eine Rolle spielen soll. Alles andere ist den Kindern selbst überlassen, zumal sie das Schreiben nach engen Vorgaben von der Schule bereits zur Genüge kennen, so Andrea Liebers. “Wer eine Schreibwerkstatt besucht, hat auch Lust am Schreiben und sprudelt sehr schnell von ganz alleine  vor Ideen. Warum sollte ich mich da mit meinen Vorgaben einmischen?”

Learning by doing

hoch konzentriertDiese freie Herangehensweise traut den Kindern viel an Kompetenz und Selbstbestimmung zu. Und sie fördert die phantasievolle, individuelle  Ausgestaltung ihrer Geschichten. An Ideen mangelt es den Kindern nicht.  Einige hatten sich bereits zu Hause Gedanken gemacht, was sie schreiben  möchten.

Nach der ersten Stunde werden die Anfänge der Geschichten vorgelesen und die jungen Autoren geben Feedback. Die Voraussetzung dafür ist das genaue Zuhören, um auch Einzelheiten und Zusammenhänge wahrzunehmen. Es  ist erstaunlich, wie wachsam die Kinder sind. Im anschließenden Gespräch spinnen sie die Geschichte weiter, geben Tipps, was als Nächstes  passieren oder wie man Details ausbauen könnte.

Auf der einen Seite lernen die Schüler in der Schreibwerkstatt, dass  Kritik begründet sein muss und positiv formuliert, so dass der junge  Autor sich nicht gekränkt fühlt. Und auf der anderen Seite erhalten die Teilnehmer durch die Feedbackrunden das nötige Korrektiv.

Andrea Liebers arbeitet nach dem Prinzip learning by doing:  “Wenn eine Idee nicht gerade spannend ist, dann merkt es das Kind von alleine beim Vorlesen an der Reaktion der Zuhörer und wird sie entsprechend umarbeiten. Kinder begreifen leichter, wie spannendes  Schreiben funktioniert, wenn sie merken, wie Spannung oder Witz die Zuhörer begeistern.”

Die direkte positive Reaktion schafft Erfolgserlebnisse. Die Kinder erfahren aber auch, wie sie mit Frustrationen umgehen können, wenn eine Idee nicht die gewünschte Wirkung erzeugt und verworfen werden muss.  Andrea Liebers: “Kindern fällt es im Gegensatz zu Erwachsenen sehr  leicht, fremde Ideen oder Kritik anzunehmen und für ihre Geschichten  anzupassen. Wenn sie einmal in einer Story abgetaucht sind, dann lassen  sie sich von ihr führen, während Erwachsene die Geschichte oft steuern  wollen.”

Heidelberger Literaturtage: selbstbewusst vor Publikum auftreten

Bei der Schreibwerkstatt lernen die Kinder auch, vor einem Publikum präsent zu sein und selbstbewusst aufzutreten. In dem großen Zelt, das  auf dem Heidelberger Uniplatz aufgebaut ist, lesen die Kinder ihre Texte einem Publikum vor, genau wie die professionellen Autoren. Immer wieder hört man Lachen aus den Reihen und sieht gespannte Gesichter. Spätestens jetzt ist das häufig bestehende Vorurteil, dass ja “nur”  Kinder lesen, vergessen. Die positiven Reaktionen zeugen von echter Begeisterung über die Originalität der Geschichten.

Experten geben AuskunftIm Anschluss gibt es ein Autorengespräch, in dem die Kinder auf die  Fragen des Publikums antworten. Woher nehmen die jungen, angehenden  Autoren ihre Inspiration? Daniel und sein Bruder Manuel sind beide großeStar Wars-Fans und lassen diese Helden neue Abenteuer erleben. Auch die anderen Kinder orientieren sich oft an bereits existierenden Vorlagen und Figuren aus Büchern oder Filmen. Und in noch einer Sache  sind sich alle einig: Sie möchten Schriftsteller werden.

Das Interesse und Engagement der Teilnehmer der jungen  Schreibwerkstatt sei außergewöhnlich, so Andrea Liebers. “Diese Kinder hatten schon sehr viele Bücher gelesen und dadurch einen großen Erfahrungsschatz wie Geschichten funktionieren. Sie wissen, was nötig ist, damit Spannung entsteht, wie man Personen erfindet, die fähig sind, eine Geschichte zu tragen. Sie brannten darauf, ihre Geschichten niederzuschreiben. Diese Schreiblust erfüllte von der ersten Minute an den Raum.” Eben dieses Potenzial möchte die Schriftstellerin nutzen. Sie wird ein ganzes Buch mit den Kindern schreiben und hat zusammen mit  ihnen schon erste Orte in Heidelberg erkundet, wo die Hauptfiguren leben könnten. Die Kinder sind Feuer und Flamme für dieses Gemeinschaftsprojekt. Es braucht nicht viel, um ihnen das kreative Lernen von- und miteinander zu ermöglichen, die eigene Begeisterung  reicht.

Nelly Sautter

 

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